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S. Flor beschreibt die lokalen Märkte des Jahres 2029, die sich als Ergänzung des etablierten      Weltwirtschaftssystems herausgebildet haben. Wirtschaft beschränkt sich nicht mehr nur auf die Welt von Dollar,  Yen, Euro etc. Es war 1987 als ich zum ersten Mal eine Notiz von S. Flor erhielt. Bis heute bin ich nicht sicher was sich hinter diesen "Berichten aus der Zukunft" wirklich verbirgt - es sei dahingestellt, ob sie mittels eines     Zeittunnels vermittelt werden oder ob es sich schlicht um einen kleinen Schwindel handelt. Für jeden, der           überzeugt ist, dass die sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit nicht nur  zu technologischen, sondern auch zu tiefgreifenden sozialen Innovationen führen werden, wird dieser Beitrag eine spannende Neuigkeit sein.
 

www.social-fiction.de
Social Fiction - S. Flor
(RolfSchroeder.H@t-online.de)

1. S. Flor - Berichte aus dem Jahre 2029

a) Flatlander - Ein Bericht aus Neugrenzland

Als utopischer Schriftsteller fühle ich mich manchmal wie Abbotts armer Freund aus dem Land der einen Dimension "Flachland", dessen Berichte aus "Raumland" von seinen Mitbürgern nur mit Hohn und Spott bedacht wurden. Es tröstet mich, dass dies auch das Schicksal jener Visionäre war, deren Ideen sich als Facetten unserer heutigen zwei-dimensionalen Dualwirtschaft erwiesen haben.

Jenseits der früheren Totalität des globalen Systems bieten heutzutage lokale Märkte einen Rahmen für wirtschaftliche Transaktionen, ein institutionelles Arrangement, welches inzwischen wohl allzu selbstverständlich geworden ist: Verkäufe sind hier nur insoweit anerkannt als sie durch Einkäufe ausgeglichen werden, der Saldo am Ende des Jahres ist zahlbar in globaler Währung und genießt auch nicht die Steuerfreiheit der lokalen Märkte. Natürlich sind diese Märkte vom traditionellen Wirtschaftssektor abhängig - die für die lokale Produktion notwendige Kapitalbasis wie auch das garantierte Mindesteinkommen in Globalwährung  werden hier erwirtschaftet. Aber es ist eine gegenseitige Abhängigkeit - nur die Lokalmärkte offerieren genügend Beschäftigungmöglichkeiten, und nur so ist jene soziale Stabilität gewährleistet, die auch das effiziente Funktionieren der Globalwirtschaft garantiert.

Da eine jede unserer lokalen Währungen absolut nicht-umtauschbar ist, bilden diese lokalen Märkte eine zweite Dimension unserer lokalen Wirtschaft. Der Vergleich zur eindimensionalen Struktur des letzten Jahrhunderts - als high-tech Produktion oder Finanzdienstleistungen behandelt wurden wie die arbeitsintensive ökologische Lebensmittelproduktion oder Sozialdienstleistungen - erinnert uns an die erste Reise von Abbotts Freund nach "Linienland", wo die Botschaft von der zweiten Dimension auch ungehört blieb.
 

PS: Die Einführung von S. Flor bezieht sich auf Edwin A. Abbott "Flatland. A romance of Many
Dimensions", zuerst veröffentlicht1884, inzwischen auch in deutscher Übersetzung erhältlich; R.S.
 

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(Vorbemerkung von Rolf Schröder: Nachfolgend der vielleicht nicht immer unterhaltsame "Beitrag eines Buchhalters", aber - wer's wirklich begreifen will muss hier durch - viel Glück!)

b) S. Flor: Grundlagen zur Organisation der Dualwirtschaft

Als die Marktwirtschaft alter Ordnung in der Großen Krise des Jahres 2004 zusammenbrach, entstanden auf lokaler Ebene einzelne Selbsthilfeeinrichtungen. Für manche überraschend, brachen diese mit dem allmählichen wirtschaftlichen Wiederaufschwung nicht zusammen, sondern erwiesen sich letztendlich als wichtiges Pendant zum Weltwirtschaftssystem. Dazu trug auch die Konsolidierung dieser zunächst provisorischen Einrichtungen im Jahre 2009 bei; damals wurden administrative Arrangements vereinheitlicht. Die damals festgelegten Grundregeln haben auch heute noch Bestand und seien hier noch einmal rekapituliert:

- Jede(r) hat das Recht am lokalen Markt seines/ihres Wohnortes - aber nur an diesem - teilzunehmen. Zwischen den Lokalmärkten gibt es keine wirtschaftlichen Beziehungen. Sie sind also in sich geschlossene Einheiten, die sich auf einzelne Orte oder Regionen sowie eine maximale Mitgliederzahl beschränken.
- Die organisatorische Einheit wird durch die Zentralen dieser lokalen Netze gewährleistet. Ihnen obliegt vor allem die Regelung des Zahlungsverkehrs sowie die Vermittlung von Finanzierungen. Weitere Funktionen sind zum Beispiel die Förderung des Technologietransfers oder der Berufsausbildung. In demokratischen Wahlen müssen sich die Verwaltungsverantwortlichen den Mitgliedern der Kommunen stellen.
- Die Zahlung erfolgt nicht gegen Landeswährung, sondern in Verrechnungseinheiten. Der Verkäufer erwirbt ein Guthaben bei der Netzzentrale, der Käufer geht eine Verpflichtung ein. Alle Transaktionen werden am Jahresende saldiert und eventuelle Überschüsse und Defizite in Normalwährung fällig. Zur Defizitrechnung kommt noch die Mehrwertsteuer hinzu, die hier genauso anfällt wie bei allen Geschäften im Marktsystem. Für Konsumenten ist der Einkauf über die Netzwirtschaft also nur sinnvoll, wenn sie bereit und in der Lage sind, in gleichem Maße Produkte im Netz abzusetzen. Gewinne in Normalwährung über die Netzmärkte erzielen lohnt sich ebenso wenig: neben der Einkommenssteuer wird von den Überschüssen noch eine Sonderabgabe zum Aufbau der Netzzentralen abgezogen. Insoweit als Ausgaben und Einnahmen übers Jahr ausgeglichen sind, handelt es sich also um vom Marktsystem autonome Wirtschaftseinheiten. Diese Eigenständigkeit ist durch die Unmöglichkeit, lokale Verrechnungseinheiten gegen Normalwährung oder Verrechnungseinheiten anderer Lokalmärkte zu tauschen, gewährleistet. Sie sind nicht-konvertibel!
- Ausgleich der Salden am Jahresende bedeutet, dass keine Ersparnisse zur Finanzierung von Investitionen auf lokaler Ebene erwirtschaftet werden. Zwar werden hier eher arbeitsintensive Waren und Dienstleistungen vermittelt, aber auch dafür bedarf es Produktionsmittel, die häufig nur im traditionellen Markt angeboten werden und daher in Normalwährung zu finanzieren sind. Dafür stehen öffentliche Finanzierungsfonds zur Verfügung, die sich aus dem Mehrwertsteueraufkommen speisen.

Natürlich gab es in den letzten zwei Jahrzehnten tiefgreifende Modifikationen. Die Weiterentwicklung digitaler Zahlungen mittels lokaler Intranets hat die Administration erheblich vereinfacht. Die traditionelle Marktwirtschaft erlebte einen Aufschwung auch dank der neuartigen Nachfrage nach Investitionsgütern auf lokaler Ebene. Die wirtschaftliche Prosperität machte in gewissem Umfang die Wiederaufnahme sozialstaatlicher Leistungen  möglich. Diese kommen auch der lokalen Wirtschaft zugute: so werden zum Beispiel Pflegedienstleistungen  in Lokalwährung honoriert, womit der Wirtschaft in den einzelnen Regionen weiterer Auftrieb gegeben wurde. In diesem Zusammenhang sei auch die vor einiger Zeit beschlossene Einführung eines Garantierten Mindesteinkommens erwähnt.
 

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c) "DAS MUSEUM"  2009 -2029: Zwanzig Jahre Netzwirtschaft (R.S.: veröffentlicht in "Contraste", Nov. '89)

Zwanzig Jahre sind mittlerweile seit der Institutionalisierung der Netzmärkte vergangen. Damals, im Jahre 2009, versuchte man die im Gefolge der großen Wirtschaftskrise entstandenen  Selbsthilfeeinrichtungen zu konsolidieren und im Rahmen der seinerzeit noch sehr bescheidenen Möglichkeiten auch zu fördern. Während in jenen Tagen kaum jemand daran dachte er, dass es sich um mehr als bloße Nothilfeeinrichtungen handeln würde, haben sich die Netzmärkte heute zu einem selbstverständlichen Teil der dualen Wirtschaftsstruktur entwickelt.

Es ist jedenfalls kaum noch vorstellbar, dass so unterschiedliche Dinge wie etwa Lebensmittel und moderne Telekommunikationseinrichtungen in nur einem ökonomischen System vermittelt werden. Diese Entwicklung wird nur verständlich, wenn man zurückblickt auf die eindimensionale Wirtschaftsstruktur der Vorkrisenzeit und dabei auch die sozialen und ökologischen Implikationen dieser Wirtschaftsform berücksichtigt.  Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die früheren Versuche mit alternativen Produktionsverfahren in der sogenannten Selbstverwaltungswirtschaft.  Vieles von dem, was unter den Bedingungen der alten Marktwirtschaft nur ein Schattendasein führen konnte, wurde später in der Netzwirtschaft gängige Praxis.  Vor allem für viele jüngere Mitbürger ist es heute kaum begreiflich, weshalb diese positiven Ansätze nicht schon sehr viel früher eine Reform der alten Marktwirtschaft einleiteten.  Jedoch muss man sich vergegenwärtigen, dass gerade die ökologische Herausforderung noch vor knapp 60 Jahren etwas vollkommen Neues war.  Die erst ab 1970 ins allgemeine Bewusstsein rückenden Grenzen des Wachstums ließen die Ohnmacht der traditionellen Reaktionsmechanismen nur allzu deutlich werden.  Im Nachhinein betrachtet, war es vielleicht gerade die relative Flexibilität des alten Systems, welche das ja vorhanden Engagement  in wirkungslosen Appellen an die Politik  verpuffen liess, während vor fundamentalen  Reformen die Augen verschlossen wurden.
 

DAS SCHEITERN DER MARKTWIRTSCHAFT

 Es soll hier kein Beitrag zu der Kontroverse um die Ursachen der Großen Krise geleistet werden, doch dürfte es wohl unumstritten sein, dass die von Hoffnungslosigkeit geprägte Stimmung während der letzten Dekaden des alten Jahrhunderts eine zumindest indirekte Erklärung für das ungeheuer aufgeblähte Wirtschaftswachstum dieser Periode bietet.  Mit gesteigertem Konsum wurde versucht, die unterschwellig weiter wirkende Angst zu überdecken. Wie ein Ballon wurde das Wirtschaftssystem immer weiter aufgeblasen, bis, ja bis der Crash diese Illusion zum Zerplatzen brachte.  Bei der dann offen zu Tage getretenen Endzeitstimmung waren alle Versuche zur Wiederbelebung der Marktwirtschaft zum Scheitern verurteilt.  Die von Resignation geprägte mehrjährige Rezession nahm ihren Lauf.  Die in dieser Zeit auf lokaler Ebene entstandenen Nothilfeeinrichtungen waren die Vorläufer der heutigen Netzwerke.  Mit dem "Gesetz der Netzwirtschaft " wurde versucht, diese Selbsthilfeeinrichtungen zu konsolidieren und im Rahmen der damals natürlich sehr bescheidenen Möglichkeiten auch zu fördern. Diesem Artikel beigefügt ist die offizielle Einführung zum "Gesetzt der Netzwirtschaft“ von 2009.  Sie verdeutlicht, dass sich die Netzwirtschaft in ihren wesentlichen Punkten bis auf den heutigen Tag kaum verändert hat.  Mit dem Gesetz wurde erstmals die Möglichkeit eines autonomen Wirtschaftens auf regionaler Ebene geschaffen.  Die entscheidende Neuerung, die dies ermöglichte, war wohl die Einführung der Verrechnungseinheiten als Zahlungsmittel der Netzwerke, welche nicht umtauschbar gegen Normalwährung waren.  Es ist allgemein bekannt, dass es sich bei den Verrechnungseinheiten um Buchgeld handelt - gerade dadurch blieb dieses Kriterium der Nichtkonvertibilität, der Nicht-Umtauschbarkeit von Verrechnungseinheiten gegen normale Währung nicht nur eine leere rechtliche Vorgabe, sondern konnte auch de facto durchgesetzt werden. Durch diesen im Grunde simplen technischen Kniff wurde so etwas wie eine neue Dimension des Wirtschaftens eröffnet. Während es zuvor nur das eine, globale Marktsystem gegeben hatte, entstanden hier völlig neue System. Aber die sehr viel weniger weitgehende Arbeitsteilung bedeutete natürlich, und auch dies war von Anfang an klar, dass es sich hier nicht um völlig autarke Wirtschaftseinheiten handeln konnte. So wurde denn auch mit dem Gesetz von 2009 der Charakter der Netzmärkte als Subsystem zum Marktsystem festgelegt: die Kapitalbildung hatte über Staat und Markt zu erfolgen. Über zunächst noch sehr bescheidene öffentliche Finanzierungsprogramme wurde die Versorgung mit Investitionsgütern wie auch der Aufbau einer adäquaten Infrastruktur durch die Unternehmen des Marktsystems vorangetrieben. Diese Programme trugen maßgeblich dazu bei, dass es nach der lang anhaltenden Krise wieder zu einem allmählichen Aufschwung kam.
 

EIGENSTÄNDIGE GELDKREISLÄUFE

Zwar stieg, nachdem die Industrie ihr Tief zunächst durch die Fertigung von Produktionsmitteln für die Kooperativen überwunden hatte, allmählich auch wieder das Angebot an Konsumgütern. Sicherlich hofften damals auch nicht wenige auf eine Rückkehr zum status quo ante, zu der Zeit vor der Krise also. Doch erwies es sich als unmöglich, den Einzelhandel alten Stils, eine Lebensmittelproduktion in großen Mengen sowie die Fertigung von Konsumartikeln in großen Serien wiederzubeleben. Speziell die Herstellung von materiellen Produkten aus den Bereichen Nahrung, Kleidung, Wohnung verblieb bei den Netzanbietern. Später kamen hier die Dienstleistungen vor allem im sozialen Bereich hinzu. Erklärungen dieses Phänomens, die sich auf die finanzielle Förderung der Netzmärkte bei gleichzeitiger Beschneidung des Konsums im Marktsystem durch die hohe Mehrwertsteuer beschränken, greifen zu kurz. Auch das Sicherheitsbedürfnis, welches als Folge des traumatisch nachwirkenden Erlebnisses der Großen Krise dazu geführt hatte, die Versorgung aus lokalen Quellen vorzuziehen, reicht als Erklärung nicht aus. Wenn man den berühmten Mann oder die Frau auf der Straße befragen würde, wäre die Antwort wohl, dass die Produkte hier schlichtweg besser sind. Tatsächlich wären manche der in relativ arbeitsintensiver Weise erstellten Waren im alten Marktsystem wohl der Luxuskategorie zugerechnet worden. Konkret bietet die Selbstbeschränkung auf Waren und Materialien der näheren Umgebung ein höheres Maß an Transparenz auch im Hinblick auf die natürliche Verträglichkeit der Produkte. Die Zusammenführung von Produktion und Konsumtion macht zudem die Verwendung von synthetischen Hilfsstoffen, wie sie in der Massenproduktion üblich war, unnötig und ökonomisch nicht lohnend. Um keine Kosten in Normalwährung einzugehen, beschränken sich die Netzproduzenten möglichst auf lokale Beschaffungsquellen. Eigenständige Geldkreisläufe haben eben auch zu eigenständigen Güterkreisläufen geführt. Dies deutet bereits hin auf die Vorteile einer gut ausbalancierten Dualwirtschaft im Vergleich zur eindimensionalen Wirtschaftsstruktur. An das hypertrophe Wachstum der alten Marktwirtschaft werden wir ja heute noch allzu häufig durch die vielen Altlasten zum Beispiel der Chemie- oder Atomindustrie erinnert. Riesige Müllberge, Ressourcenverschwendung, Verschmutzung selbst der riesigen Ozeane, die Gefährdung der Biosphäre - die Liste ökologischer Katastrophen ließe sich lang fortsetzen. Forschung und Entwicklung hatten vor der Krise nur noch wenig mit den wirklichen Bedürfnissen der Menschen zu tun. Auf einen Schritt bei der Bewältigung realer Probleme durch technische Innovationen folgten mindestens zwei Schritte in die Gegenrichtung. Das Unvermögen, Ökonomie und Ökologie einander wenigstens anzunähern wurde in einzelnen Branchen wie dem Agrobusiness besonders deutlich. Obwohl die Naturschäden durch eine intensiv betriebene Landwirtschaft eklatant waren, obwohl die gesundheitlichen Schäden durch eine Fehlernährung mit synthetischen Produkten zunahmen und obwohl der Zusammenhang zwischen Überfluss in der nördlichen  und Hunger in der südlichen Hemisphäre offenkundig war, schritt diese Fehlentwicklung immer weiter fort.
 
 

SACHZWANG IST GÖTZENDIENST

Kaum verwunderlich, dass es bei solchen Mißständen gerade in einem solch elementaren Bereich wie der Nahrungsmittelproduktion auch alternative Ansätze gab: Bio-Bauern und gesundheitsbewußte Konsumenten bemühten sich um natürliche Produkte. In Erzeuger-Verbraucher-Koops wurde versucht, die Kluft zwischen Produktion und Konsumtion zu überwinden. Doch alles in allem betrachtet blieben dies Randerscheinungen. Zwar reagierten viele Konsumenten positiv auf Kürzel wie Öko- oder Bio-, doch verbargen sich dahinter meist nur clevere Strategien der Marketingexperten des Agrobusinesses. Für die in arbeitsintensiver Produktion erstellten Angebote von Bio-Bauern blieb in diesem knallharten, kapitalintensiven Wettbewerb allenfalls eine kleine Nische, eine Nische, die zudem einkommensschwachen Konsumenten meist nicht zugänglich war. Dies deutet bereits hin auf den engen Zusammenhang zwischen ökologischen und sozialen Problemen. Die radikale Individualisierung, die Teil der Dynamik des Marktsystems war, führte dazu, dass soziale Bedürfnisse immer weniger befriedigt werden konnten und statt dessen über die zweifelhaften Angebote der Industrie kompensiert wurden. In einem sich selbst verstärkenden Prozess heizte dies das Wachstum weiter an. Die traditionelle Formel, nach der sich über dieses Wachstum mehr Wohlfahrt erzielt würde, erwies sich dabei als immer fadenscheiniger. Die Zentrifugalkraft dieses Getriebes ließ die Randgruppen anwachsen. Hinter blendenden Fassaden führten Vereinzelung und Vereinsamung zu vermehrtem Drogenkonsum aller Art. Tiefe Not inmitten ostentativ zur Schau gestelltem Reichtum führte zu einem Anwachsen der sozialen Spannungen. Aus heutiger Sicht muss die Unterwerfung unter die sogenannten "Sachzwänge" geradezu als Götzendienst erscheinen. Ökonomische Systeme sollten dem Menschen dienen, nicht umgekehrt. Natürlich bedeutet die Einführung der Dualwirtschaft nicht die Lösung all dieser Probleme. Jeder, der in der Netzwirtschaft tätig ist, weiß um die Schwierigkeiten eines naturgerechten Wirtschaftens. Doch im Gegensatz zum globalen Marktsystem bleiben die Probleme in einem eng umgrenzten Teil der Natur handhabbar. Die Konsequenzen umweltschädlichen Handelns, sei es bei der Ressourcengewinnung oder bei der Abfallbeseitigung, wären hier vor Ort sofort spürbar. Anders als im alten Marktsystem kommt es gerade auch in der Netzwirtschaft bei der Bewältigung der anstehenden Probleme zu einer sinnvollen Anwendung modernsten Know-Hows. Die Intermediären Technologien haben gerade hier ein breites Anwendungsfeld gefunden. Auch die extensive Landwirtschaft konnte wohl nur durch die Einführung der Netzmärkte realisiert werden. Demgegenüber sind die Wirtschaftsbereiche, die den Unternehmen des Marktsystems vorbehalten sind, in ökologischer Hinsicht sehr viel weniger sensibel. Vor allem aber greifen staatliche Maßnahmen heute sehr viel besser als vor der Krise, als jeder Unternehmer oder Standortpolitiker mit dem Arbeitsplatzargument jede noch so umweltschädliche Investition rechtfertigen konnte. Vor allem auch sind es die indirekten Konsequenzen, die zu einer spürbaren Entlastung der Umwelt geführt haben. Manche Dinge, die früher unerläßlich schienen, sind heute überflüssig. Es ist manchmal faszinierend zurückzublicken und zu sehen, welch Riesen Maschinerie in der hoch-arbeitsteiligen Wirtschaft in Bewegung war, um den Konsumenten in den Genuss zum Beispiel seiner alltäglichen Lebensmittel kommen zu lassen. Hier hat sich mancherlei verändert. Wohl am wichtigsten unter den indirekten Konsequenzen ist die Reduktion von Transport und Verkehr. Die Ausweitung des Flugverkehrs, der Transport gefährlicher Güter, die Einasphaltierung und Zerschneidung ganzer Naturlandschaften zugunsten des Individualverkehrs - auch hier mögen Stichworte genügen, um die Pervertierung des Wirtschaftens im alten Stil anzudeuten. Mit der Verlagerung weiter Teile der Produktion auf die lokale Ebene und der Verringerung des Verkehrsaufkommens gingen auch Veränderungen in der Siedlungsstruktur einher. Die Integration der Lebensbereiche Arbeit, Wohnen und Freizeit hat zu einer Verdichtung der Kommunikationsstrukturen geführt. Ob in den einst so öden Vorstädten oder in den früher von der Automobilität fast völlig abhängigen Gebieten - überall ist es zu einer Revitalisierung des Lebensraumes gekommen. In den urbanen Zentren ist das Leben hingegen sehr viel weniger hektisch als vor der Krise. Die Attraktivität des Hier, des eigenen Umfeldes, hat die früher so bedeutsame "Weiße Industrie", die Freizeitindustrie mit ihren lange unterschätzten ökologischen Nebenwirkungen fast völlig überflüssig werden lassen.
 
 

GARANTIERTES MINDESTEINKOMMEN

Wenngleich der Einschnitt des Jahres 2005 tiefe Wunden hinterlassen hat, so lässt sich heute doch konstatieren, dass dank der Systemreformen ein recht beachtliches Maß auch an wirtschaftlichem Wohlstand erreicht wurde. Eine Ähnlichkeit zur Glitzerwelt der Vorkrisenzeit lässt sich zwar kaum feststellen, hingegen ist es gelungen, sehr viel mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Dabei muss bedacht werden, dass die Restauration des Sozialstaates nur möglich war, weil es um den Kristallisationspunkt der Netzmärkte ein dichtes Geflecht sozialer Beziehungen gibt. Im Zeitalter der radikalen Individualisierung war der Sozialstaat hoffnungslos überfordert gewesen. Die vor einiger Zeit beschlossene Einführung eines Garantierten Mindesteinkommens dürfte auch für die Zukunft das Entstehen sozialer Disparitäten zwischen denen, die ein Einkommen in Normalwährung beziehen und denen, die ausschließlich oder überwiegend in der Netzwirtschaft tätig sind, verhindern. All dies unterstreicht die Notwendigkeit einer gut ausbalancierten Dualwirtschaft auch für die Zukunft. Es sollte deutlich geworden sein, daß die Netzwirtschaft nur bei einem funktionierenden Marktsystem prosperieren kann. Umgekehrt wäre auch die Marktwirtschaft ohne das stabilisierende Element der Netzmärkte zum Scheitern verurteilt. Der historische Rückblick zum einen auf die Pioniere eines dezentralen, regionalen Wirtschaftens und ihre Schwierigkeiten in der eindimensionalen Marktstruktur sowie das Kollabieren dieses eindimensionalen Systems führt die Bedeutung der Netzmärkte besonders eindrücklich vor Augen.
 
 

Eine Einführung: Das "Gesetz der Netzwirtschaft"

Netzmärkte
Flächendeckend werden für den Geltungsbereich dieses Gesetzes Netzmärkte eingerichtet. Jede(r) hat das Recht, am Netzmarkt ihres/seines Wohnortes - aber nur an diesem - teilzunehmen. Zwischen den Netzen gibt es keine wirtschaftlichen Beziehungen. Sie sind in sich geschlossene Einheiten. In ihrer Ausdehnung beschränken sich die Netzmärkte auf einzelne Orte oder Regionen. Bei Erreichen einer gewissen Mitgliederzahl bzw. eines gewissen Umsatzvolumens wird eine Netzreform, d. h. eine Teilung des betreffenden Netzes notwendig, um das Wirtschaften in geringen Größenordnungen als das charakteristische Merkmal der Netzwirtschaft zu erhalten.

Netzzentralen
Die organisatorische Einheit der Netzmärkte wird durch die Netzzentralen gewährleistet. Eine Netzzentrale wirkt als Scharnier zwischen Netzmarkt einerseits und Marktsystem und Staat andererseits. Neben Funktionen wie der Schulung von Netzteilnehmern, dem Technologietransfer etc. obliegt ihnen vor allem die Regelung des Zahlungsverkehrs sowie die Vermittlung von Netzfinanzierungen. Die Zahlung beim Netztausch erfolgt nicht gegen Landeswährung, sondern in Verrechnungseinheiten. Der Verkäufer erwirbt ein Guthaben bei der Netzzentrale, der Käufer geht eine Verpflichtung ein. Alle Transaktionen werden am Jahresende saldiert und eventuelle Überschüsse und Defizite in Normalwährung fällig. Zur Defizitrechnung kommt noch die Mehrwertsteuer hinzu, die hier genauso anfällt wie bei allen Geschäften im Marktsystem. Für einen Konsumenten ist der Einkauf über die Netzwirtschaft also nur sinnvoll, wenn er bereit und in der Lage ist, in gleichem Maße Produkte im Netz abzusetzen. Gewinne in Normalwährung über die Netzmärkte erzielen lohnt sich ebenso wenig: neben der Einkommenssteuer wird von den Überschüssen noch eine Sonderabgabe zum Aufbau der Netzzentralen abgezogen. Insoweit als Ausgaben und Einnahmen übers Jahr ausgeglichen sind, handelt es sich also um vom Marktsystem autonome Wirtschaftseinheiten. Diese Eigenständigkeit ist durch die Unmöglichkeit, Verrechnungseinheiten gegen Normalwährung zu tauschen, gewährleistet.

Finanzierung
Ausgleich der Salden am Jahresende bedeutet Wegfall des Gewinnmotivs, und dies wiederum bedeutet, dass die Kapitalbildung nicht oder nur in begrenztem Maße über die Netzwirtschaft erfolgen kann. Zudem lassen sich die für die Netzwirtschaft notwendigen hoch-technologischen Investitionsgüter nur im Marktsystem erstellen und sind daher in Normalwährung zu finanzieren. Der Staat übernimmt diese Finanzierung aus dem im Marktsystem angefallenen Mehrwertsteueraufkommen. Anspruchsberechtigt sind ausschließlich Ko-operativen, welche die im Gesetz genannten Kriterien erfüllen (diese Kriterien entsprechen dem Genossenschaftsgedanken der Mitgliederförderung; hierzu zählt die Regelung der Besitzverhältnisse, der Wegfall von Privatgewinnen, die persönliche Haftung der Mitglieder, das Identitätsprinzip, wonach alle Beschäftigten auch Mitglieder sein müssen und das Demokratieprinzip). Der Finanzierungsanspruch der Ko-operativen richtet sich nach ihrem Netzumsatz. Das so finanzierte Kapital geht zwar in ihren Besitz ein, formell jedoch bleiben die Netzzentralen Eigentümer. Konkret bedeutet dies, dass die Kooperativen die volle Verfügungsmacht über ihr Vermögen haben, sofern dies ihrer Netzproduktion dient. Grundsätzlich nicht zulässig ist die Veräußerung dieses Vermögens. Diese Kapitalneutralisierung bedeutet auch, daß bei Auflösung einer Ko-operative das Vermögen der Netzzentrale zufällt (Ausnahmeregelungen sind hier möglich).

1.7.2009

 



 

2. Schreibwerkstatt

Diese Gastseite bietet Jedermann und -frau die Möglichkeit seine/ihre Sicht zum Jahr 2029 zu präsentieren. Schreiben Sie über Ihre Erfahrungen, Eindrücke, Meinungen, und ergänzen Sie so das von S. Flor gezeichnete Bild. Gerne würde ich auch von anderen "Berichten aus der Zukunft" erfahren.
 

Obwohl inzwischen Rentner, arbeite ich nach wie vor in meinem Beruf - von Haus aus Agrarwissenschaftler war ich seit jeher tätig als Marketingexperte für biologische Lebensmittel. Während der letzten Jahre war ich am Aufbau neuer Vertriebswege für derartige Produkte im Kölner Raum beteiligt. Es mag ein wenig unbescheiden klingen, aber in diesem Feld gehöre ich sicherlich zu den Zeitzeugen eines Prozesses, der in enthusiastischer Weise mit Experimenten in den siebziger Jahren begann, der eine Phase der Professionalisierung folgte und der letztendlich zur Schaffung gänzlich neuer Strukturen in den letzten Dekaden führte. Ich entsinne mich dabei noch recht gut an das Gefühl der Enttäuschung, welches zur Jahrhundertwende empfand. Sicher, das Präfix "bio" hatte zu dieser Zeit seinen Platz erobert und das entsprechende "Marktsegment" wies durchaus akzeptable Zuwachsraten aus. Aber mir war dabei sehr bewusst, dass diese Nische auch eine Art Entschuldigung für eine Entwicklung in der konventionellen Lebensmittelindustrie bot, die desaströse Folgen nach sich ziehen würde. Und die Nische selbst? Nun, die  "Bio-" Zertifikate, die wir erarbeitet hatten, waren kein Betrug. Insgesamt jedoch war der Produktionsprozess keineswegs in Einklang mit ökologischen Prinzipien: die Konsumstrukturen der damaligen Zeit zwangen uns zu sogenannten "Convenience Produkten", verpackt in Materialien, die von meinen Kollegen mit dem Euphemismus "Kompromiss" belegt wurden. bei Einbeziehung aller Komponenten wie Verpackung und Transport wäre die Ökobilanz keineswegs positiv ausgefallen. Heute würde ich zugeben, dass gerade wir Aktivisten der ersten Stunde, die ihr Engagement professionalisiert und damit zur Lebensgrundlage gemacht hatten, verantwortlich für das Auslaufen der ersten Welle der ökologischen Bewegung waren. Nur die veränderten Wirtschaftsbedingungen der letzten fünfundzwanzig Jahre erlaubten es uns, eine naturgerechte Lebensmittelproduktion zu schaffen, die diesen Namen wirklich verdient. Es ist die Nachfragestruktur auf regionaler Ebene, welche die Innovationen  in diesem Feld vorantreibt, eine Entwicklung, die sicherlich noch nicht zu einem Ende gekommen ist. Vor meiner Lektüre von S. Flors "Flatlander" hätte ich den letzten Satz als gute Konklusion betrachtet. Aber diese kurze "Botschaft" erinnerte mich daran, dass Fortschritt nicht etwas ist, was sich immer weiter und weiter auf denselben Gleisen bewegt; wir müssen unsere Bereitschaft zum Sprung auf die andere Ebene erhalten!

                                                                  Sven Guentler, Köln




 

3. Anmerkungen von Rolf Schröder

a) SF - Das "social fiction" Konzept

Ein "Sorry" an all jene, die unter SF etwas über "Science Fiction" erwarteten. Das "social fiction" Konzept geht zurück zu den Wurzeln der "Utopie" in der Tradition von Thomas Morus. Seit der Veröffentlichung dieses Buches im Jahre 1516 hat es viele Änderungen in der "Ausmalung" des "Nicht-Landes" gegeben, ein Prozess, von dem wir denken, daß er  noch nicht abgeschlossen ist. Gegenwärtig wird zwar viel von Visionen gesprochen, doch wo gibt es wirklich den Blick auf die neue Dimension? Dies mag auch daran liegen, dass der Begriff "Utopie" nach seiner Instrumentalisierung durch die alten systemkritischen Ideologien so umfassend, so total geworden ist, dass seine Aussagekraft ins Nichts umgeschlagen ist; er wird daher hier nicht verwandt. Ein Element in dem hier vertretenen Ansatz ist das Plädoyer für "neue Grenzen". So unterscheidet sich SF zum Beispiel von der phantastischen Literatur; SF ist rational konstruiert und realistisch. Zugegeben, Grenzen zu setzen ist immer ein willkürlicher Akt. So gibt es innerhalb der klassischen Science-Fiction auch "sozial" durchaus interessante Ansätze; Eric Frank Russel "... And Then There Were None" ist ein gutes Beispiel. Viele klassische Science-Fiction Autoren waren überzeugt und motiviert nicht nur von Innovationen aus Wissenschaft und Technik, sondern glaubten auch an neue Formen sozialer Organisation. Für "social fiction" steht der Mensch definitiv an erster Stelle (Kritiker mögen hier Protest einwerfen, aber bislang hat noch niemand gezeigt wie der Anthropozentrismus zu überwinden ist). SF sucht nach dem NEUEN, und dies ist eine weitere Charakteristik, nicht in der Unendlichkeit des Weltraumes, sondern sozusagen vor unseren eigenen Füßen.
Dies ist eine Antwort auf die sozialen und ökologischen Probleme unserer Zeit. Es stellt ein Angebot an jene dar, die sich mit den praktischen Resultaten ihrer privaten, beruflichen, wissenschaftlichen oder politischen Aktivitäten nicht zufrieden geben wollen, an jene, die die Ausrufezeichen hinter den "Top-Down" Lösungen innerhalb des etablierten institutionellen Rahmens nicht akzeptieren wollen. Die Beschreibung der Dualwirtschaft des Jahres 2029 durch S. Flor illustriert das Konzept "social fiction". Es wird, so die Hoffnung, Leser dazu animieren, ihr Bild von der Zukunft, sei es im Einklang mit den Berichten von S. Flor oder aber darüber hinausgehend, zu präsentieren. Das Beispiel Dualwirtschaft zeigt auch, dass "social-fiction" sich nicht für die Zwecke existierender Institutionen instrumentalisieren lässt. Utopie, Perspektive, Vision - diese Begriffe sind auch deswegen desavouiert, weil sie inzwischen ihren Platz in den Geschäftsplänen aller möglichen Unternehmen und Organisationen gefunden haben. Das SF-Konzept wird hingegen bei der individuellen Karriereförderung sowie Sicherstellung eines sechsstelligen Jahreseinkommens kaum von Nutzen sein! Diese Website enthält auch Informationen über die Arbeiten von Rolf Schröder. Dabei handelt es sich um keinen unabdingbaren Teil des SF-Konzeptes, es ist vielmehr ein Beispiel für die Wechselwirkung von SF und einer von vielen Domänen, der Wirtschaftstheorie.*  Die beigefügte Zeichnung (nicht enthalten in der Download-Version) illustriert das Konzept von SF als einem Treffpunkt: bringen Sie Ihre Erfahrungen und Kreativität ein, treffen sie auf Menschen mit andersartigem Hintergrund, und tragen Sie SF-Visionen zurück in ihre praktischen Lebensbereiche. Über Ihre Teilnahme freut sich der SF-Koordinator:
RolfSchroederH@t-online.de

* Wissenschaftlich Interessierte seien hinsichtlich der methodologischen Implikationen
verwiesen auf Kapitel G in dem Buch "Jenseits des Marktes" von Rolf Schröder.
 
 

b) Eine Buchempfehlung

Rolf Schröder:  Jenseits des Marktes. Ansätze öko-sozialen Wirtschaftens aus neo-libertärer Sicht
Mit einem Nachwort von S. Flor. Haag + Herchen, Frankfurt/M. 1992

Aus dem Inhalt:
Die Reaktionen auf die "Grenzen des Wachstums"
Das neoklassische Wirtschaftsmodell
Die Entwicklung der ökonomischen Rationalität
Doppel- oder Dualwirtschaft?

Soziale Systeme sind wie Sanduhren  - sie haben ihre Zeit und müssen dann umgestellt werden. Dies gilt auch und gerade für die sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit, die eben nicht  hinreichend innerhalb des existierenden institutionellen Arrangements von Staat und Markt zu lösen sind. Gerade das Nachwort (aus dem Jahre 2029) illustriert die Möglichkeiten jenseits dieses etablierten Spektrums. Für Schröder eröffnet die - wie auch immer geartete - dualwirtschaftliche Perspektive einen neuen Blick auf das, was die ersten Seiten fast aller Ökonomietextbücher beherrscht: die neoklassische Wirtschaftstheorie. Es ist zu beklagen, dass die Auseinandersetzung zu diesen  theoretischen Grundlagen zu einem ideologischen Stellungskrieg erstarrt ist, in dem sich die Gegenpole (sei es die neoklassische Pro-Markt- oder aber die Pro-Staat-Position) kaum noch berühren. Der Autor nimmt diese Positionen auf und erklärt sie in ihrem historischen Kontext. Mit dieser Arbeit zum "Mechanismus der Sanduhr" schafft Schröder eine Voraussetzung für ihre Umstellung.
 

c) Ein Artikel

Der folgende Artikel wird veröffentlicht in:  "Theory and Science",  1,  2000
 

Rolf Schröder: Towards an Understanding of the Global Market System. A new Perspective for Economics

                                                  "...non-equilibrium may be a source of order."
                                                             G. Nicolis, I. Prigogine
Zusammenfassung:
Ausgangspunkt in diesem Aufsatz sind lokale Wirtschaftssysteme, die den Tausch von Gütern mittels Währungen ermöglichen, welche nicht konvertibel gegen jegliche andere Währungen sind. Dies impliziert, so das Argument, dass solche Systeme eigenständige ökonomische Einheiten darstellen, eigenständig auch gegenüber dem Weltmarktsystem. Theoretisch stellen sie einen archimedischen Punkt dar, welcher es ermöglicht, Aspekte der Evolution dieses Systems zu analysieren. Unter der Annahme eines Zusammenhanges zwischen historischer und dogmengeschichtlicher Entwicklung wirft diese Perspektive neues Licht auf Veränderungen im Konsumentenverhalten; traditionelle Konsumtheorie und "new economic approach" werden als Reflexionen einer Umorientierung im Konsumentenverhalten interpretiert. Diese theoretische Erkenntnis erlaubt auch eine neue Interpretation der Formation neuer lokaler Tauschsysteme. Unter Berücksichtigung sowohl der globalen wie auch der lokalen Dimension handelt es sich hier um einen Beitrag zur Entwicklung der liberalen Wirtschaftstheorie als Theorie einer Dualökonomie.
 
 

d) Rolf Schröder - Ausgewählte Referenzliteratur

     Die obigen Zusammenfassungen deuten bereits an, dass es sich hier um einen ganz
     eigenständigen Ansatz handelt; die genannten Titel mögen als Koordinatenpunkte
     verstanden werden, in deren Mitte sich dieses Modell lokalisieren lässt.

          Becker, Gary S.: Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen
          Verhaltens, J.C.B. Mohr, Tübingen 1993
          Douthwaite, Richard und Diefenbacher, Hans: Jenseits der Globalisierung.
          Handbuch für lokales Wirtschaften, Grünewald, Mainz 1998
          Hirsch, Fred: Die sozialen Grenzen des Wachstums. Eine ökonomische Analyse
          der Wachstumskrise, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1980
          Gershuny, Jonathan: After Industrial Society? The Emerging Self-Service Economy,
          MacMillan Press, London and Basingstoke 1978
          Polanyi, Karl: The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge
          von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1978
          Schumacher, E.F.: Die Rückkehr zum menschlichen Maß; Alternativen für Wirtschaft und Technik.
          Small is Beautiful, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1977
          Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, J.C.B. Mohr, Tübingen 1972 (Original 1921, 1922)
 

e) Weitere Links ... Eine Auswahl
 

      Die "Utopian Pathway Association"  bietet eine Vielzahl (englischsprachiger) links nach "Utopia":
                                                http://www.angelfire.com/co/harmony/utopiapa.html

      Eine deutsches Wegverzeichnis nach "Utopia" findet sich unter:
                                                http://mitglied.tripod.de/GZSBLIZU/

      Roy Davis zeigt mit seiner (englischsprachigen) "Fiction"-Sammlung, dass auch die Welt von Geld und Finanzen kreativ     reflektiert werden kann:             http://www.ex.ac.uk/~RDavies/bankfiction/
 

    "... AND THEN THERE WERE NONE" - Eric Frank Russels Geschichte  zeigt, dass "Science Fiction" auch gute "Social Fiction" sein kann. Der unten angegebene Link führt zu einer digitalen (englischsprachigen) Fassung. Deutsche Übersetzungen erschienen 1970 und 1979 (zuletzt bei  Heyne unter dem Titel "Titan 11"). Ebenso wie Russels Hauptwerk "Die Große Explosion" sind diese Titel zur Zeit nur im Antiqariat erhältlich.

                                                 http://www.abelard.org/e-f-russell.htm
 
 


PS: Die folgende biographische Notiz findet sich (in englisch) unter www.crosswinds.net/~rolfschroeder/index.html

Rolf Schröder - Vision eines Ökonomen

        Vor vielen Jahren beschäftigte ich mich mit Fragen zum Weltwirtschaftssystem,
     insbesondere zur Stabilität der internationalen Finanzmärkte. Während dieser Studien wurde
     mir bewusst, dass die herkömmlichen Wirtschaftstheorien kein Instrument bereitstellen, um
     dieses Weltwirtschaftssystem als Ganzes wirklich zu verstehen. Diese Theorien bilden eine
     Wissenschaft über "Bäume", die jedoch unfähig sind, "Wald" umfassend verständlich zu
     machen. Um letzteres zu erreichen, muss man aus dem "Wald" heraustreten. S. Flors
     Beschreibung einer dualwirtschaftlichen Ordnung erlaubte mir einen derartigen Blick von
     außen. Die von ihm dargestellten lokalen Märkte mit ihren nicht-konvertiblen Währungen sind
     in gewisser Hinsicht  eigenständige Märkte. In theoretischer Hinsicht lieferten sie mir einen
     Archimedischen Punkt, um das herkömmliche Marktsystem in neuartiger Art und Weise zu
     begreifen, ja, mehr noch, um über ökonomische Systeme im allgemeinen nachdenken zu
     können.
        Um meine Faszination zu teilen, dürfte ein kurzer Blick in die ersten Seiten eines
     elementaren Ökonomie-Textbuches genügen. Hier finden sich in der Regel die Grundlagen der
     neo-klassischen Wirtschaftstheorie dargestellt. Von grundlegender Bedeutung ist dabei die
     Unterscheidung zwischen Produktion und Konsumtion, zwischen Mittel und Zweck durch die
     Institution "Markt". Sicher - die neo-klassische Theorie bietet die Grundlage für den (im Grunde
     immer nationalen) Kreuzzug für "freie Märkte", aus guten Gründen opponiert von (ebenfalls
     nationalen) Pro-Staat Advokaten. Ich bin überzeugt, dass die tiefgreifenden sozialen und
     ökologischen Herausforderungen unserer Zeit nicht im Rahmen des von diesen Antipoden
     gebildeten Spektrums gelöst werden können.
        Offenkundig - die von S. Flor beschriebenen lokalen Märkte sind (wie auch die bereits
     existierenden Tauschringe) neue "Wälder". Sie eröffnen eine neue Dimension in der Trennung
     von Produktion und Konsumtion, und damit auch den Horizont für ein Neuverständnis
     (ökonomischer) Rationalität. Basierend zwar auf liberalen Prinzipien weist diese Perspektive
     über Staat und Markt hinaus - ein wahrhaft libertärer Ansatz.
 

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